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Interview-Fragen an Jörg Boysen, Vorstand/Geschäftsführung, Montessori Bundesverband Deutschland

Newsletter März 2021

Zunächst einmal vielen Dank an dich, Jörg, dass du uns und den Mitgliedern im Landesverband Berlin-Brandenburg für unsere Fragen zur Verfügung stehst.

Zum 01.4.2021 wird der bisherige Montessori-Dachverband abgelöst von einem neuen Montessori Bundesverband. Und das ist, trotz etlicher formaler Schritte, die dafür im Vorfeld nötig waren, keine bloße Formalie. Es ist ein echter Neubeginn, ein neues Konzept.
Als alter und neuer Vorstand bist du genau die Person, die die Fragen unserer Mitglieder beantworten kann.

Bitte erkläre nochmal zusammengefasst, was sich mit dem 01.04.21 konzeptionell und tatsächlich verändern wird bzw. verändern soll.

Erstens: Am 1. April verändert sich die Montessori-Verbandsstruktur auf Bundesebene wesentlich:

  • Montessori-orientierte Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft, die bisher nur bei den Landesverbänden Mitglieder waren, sind nun direkt Mitglieder des Bundesverbands.
  • Durch veränderte Mitgliedschaftsarten bilden die Vielfalt der Montessori-Organisationen, die übergeordnet tätig sind, besser ab als bisher, als Einrichtungsverbände, Ausbildungs¬organisationen und/oder Personenvereinigungen.
  • Schließlich haben wir die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass auch Einrichtungen mit Montessori-Profil in kommunaler oder staatlicher Trägerschaft, ebenso Bistumsschulen, sich beteiligen können am Bundesverband. (Hierbei müssen wir das Interesse hieran noch weiter abklopfen, um ab 2022 die angedachte „vertragliche Kooperation“ zu implementieren.)

Zweitens: Durch die gestiegenen Mitgliedsbeiträge kann der Bundesverband eine Geschäftsstelle finanzieren, die mit hauptamtlichen Mitarbeiter*innen nach innen und außen professionell Leistungen erbringt, die es in der Montessori-Bewegung in Deutschland noch nie gab. Hierzu gehören

  • eine proaktive Öffentlichkeitsarbeit und Montessori-Profilsetzung, inklusive der Koordination von entsprechenden Kampagnen auf regionaler oder lokaler Basis;
  • eine Kontaktstelle für die Montessori-Basis zu Themen, die über die Landesverbands¬ebene ausgehen;
  • Kommunikations- und Vernetzungsmöglichkeiten der Montessori-Basis, die u.a. Meinungsbildung zu Schwerpunkten der Arbeit auf Bundesebene erlaubt;
  • ein „QR-Anerkennungsverfahren“ für Montessori-Einrichtungen und Montessori-Ausbildungskurse, auf Grundlage des Montessori-Qualitätsrahmens.

Wie lange wurde schon an der Idee des Bundesverbandes gearbeitet?

Das kommt drauf an, wie weit man zurückgehen will. Im Februar 1971, also vor genau 50 Jahren, gründete sich in Düsseldorf die Aktionsgemeinschaft deutscher Montessori Vereine – Für das Recht aller Kinder auf bessere Bildung als erster Zusammenschluss auf Bundesebene (dem sich übrigens noch in 1971 der „Montessori-Kreis e. V., Berlin“ anschloss).
Nach einer Verbandskrise in 2002 kamen 2003 alle wieder an einem Tisch, um als Ergebnis eines „Gemeinschaftswerks Montessori“ den Montessori Dachverband Deutschland e.V. in 2004 durch Satzungsneufassung zu etablieren. Damals stieg ich als Stellv. Vorsitzender (mit Prof. Hans-Joachim Schmutzler als Vorsitzender) in den MDD ein. Im MDD hatten erstmalig die Landesverbände und die Ausbildungsorganisationen qua Satzung gleiches Gewicht.
Schließlich stellte sich, nach der erklärten Unzufriedenheit des Vorstands in 2011 über die Wirksamkeit ehrenamtlicher Strukturen, ein Vorstandsteam in 2014 mit dem Ziel zur Wahl, „auf Bundesebene geeignete Strukturen zu schaffen, die

  • die Basis bilden für einen besseren Zusammenhalt innerhalb der deutschen Montessori-Bewegung;
  • den Qualitätsanspruch der Montessori-Ausbildung und der Montessori-Praxis fördern;
  • dem wichtigen gesellschaftlichen Beitrag der Montessori-Pädagogik gerecht werden;
  • auf Dauer aufrecht erhaltbar sind, d.h. nicht nur vom hohen ehrenamtlichen Einsatz einzelner Personen abhängen.“

(Sonst hätte ich mich als Vorsitzender nicht aufstellen lassen.)
Daraus entstand 2015 das Projekt MONTESSORI 2020, das letztes Jahr mit dem Gründungs-beschluss zum Bundesverband seine Arbeit erfolgreich beendete.

Was waren aus deiner Sicht die größten Hürden bei der Gründung des Bundesverbandes? Wo lagen Sensibilitäten, welche Auflagen kamen unerwartet und was hat – neben der Covid-19-Pandemie – den Prozess schwierig gemacht?

Wir haben uns bei der Entwicklung der Struktur des Bundesverbands bewusst Zeit gelassen. Gerade wegen der Vielfalt der Anforderungen an einen Bundesverband war es sehr wichtig, jeden Entwicklungsschritt vor der Verabschiedung den MDD-Mitgliedsorganisationen (Landesverbände, Ausbildungsorganisationen) zur Diskussion und zur internen Meinungsbildung vorzustellen. Folgende Faktoren galt es u.a. im Auge zu behalten:

  • Die Landesverbände sind historisch gewachsen und daher sehr unterschiedlich. Sowohl deren Schwerpunkte als auch deren Fähigkeit, diese umzusetzen, variieren aufgrund hauptsächlich ehrenamtlicher Strukturen stark.
  • Um die Geschäftsstelle zuverlässig zu finanzieren, war es klar, dass dies nur mit einer stärkeren Hilfe der Bildungseinrichtungen gelingen würde. Hierbei hätte eine freiwillige Mitgliedschaft keine zuverlässige Finanzierung ermöglicht. (Schließlich muss eine Geschäfts­stelle eine Mindestgröße haben, sowohl um handlungsfähig zu sein als auch um für qualifizierte Mitarbeiter*innen eine Perspektive zu bieten.)
  • Durch das größere Beitragsvolumen der Bildungseinrichtungen, denen auch Leistungen gegenübergestellt sind, mussten auch die Stimmrechte neu verteilt werden, was zu Lasten der Ausbildungsorganisationen ging.

Dann war es äußerst herausfordernd, die entstehende, relativ komplette Satzung sowohl beim Amtsgericht als auch beim Finanzamt durchzubekommen. Die MDD-Mitgliedsorganisationen mussten ja jeweils wieder eingebunden werden.

Schließlich führte die Pandemie dazu, dass die Landesverbände die notwendigen Änderungen ihrer Satzungen, um die Doppelmitgliedschaft einzuführen, nicht alle in 2020 beschließen lassen konnten. Drei von zehn in Frage kommenden Landesverbänden, inklusive des größten Landesverbands (Bayern), haben ihre Mitgliederversammlungen erst im Frühjahr 2021.

Bitte beende den Satz: „Liebes Landesverbands-Mitglied, du solltest Mitglied auch im Bundesverband werden, da…“

  • wir Euch Vernetzungs- und Einbindungsmöglichkeiten geben, die Ihr selber mitgestalten könnt;
  • wir das Montessori-Profil proaktiv durch Öffentlichkeitsarbeit und den Qualitätsrahmen schärfen werden;
  • wir letztendlich den gesellschaftlichen Stellenwert der Montessori-Pädagogik verbessern.

Wir glauben, dass Eure Eltern und Eure Mitarbeiter*innen Wert darauf legen, dass Ihr diese Art von Zukunftssicherung betreibt.

Schließlich appellieren wir daran, dass Ihr den Kraftakt der Professionalisierung auf Bundesebene nicht nur anderen überlässt.

Bitte erkläre nochmal, was eine „Doppelmitgliedschaft“ ist und warum diese Konstruktion nötig ist.

Wenn man als Einrichtungsträger mit Montessori-orientierten Bildungseinrichtungen in einem Landesverband Mitglied ist, ist man gleichzeitig auch Mitglied im Bundesverband, bezogen auf diese Bildungseinrichtungen. Diese Konstruktion entsteht rechtlich durch Abschnitte in den Satzungen von Landesverband und Bundesverband, die die Begriffe „Einrichtungsverband“ und „Doppelmitglied“ gleichlautend definieren.

Wie gesagt, hielten wir eine freiwillige Mitgliedschaft im Bundesverband nicht für geeignet, um eine professionelle Geschäftsstelle von Beginn an abzusichern. Wir sind zuversichtlich, dass wir einen Wert bieten werden, der jeder Einrichtung zugute kommt.

Viele haben mit der Idee des Bundesverbandes kein Problem, begrüßen diese Idee sogar sehr. Die Geister scheiden sich jedoch bei den Mitglieder-Gebühren.
Bitte erkläre uns, wie eine kleine oder größere Schule oder ein Kinderhaus sich selbst oder die Eltern motivieren kann, diese Gebühren zahlen zu wollen. Wie können wir das gegenüber unseren Mitgliedern rechtfertigen?

Für Schulen beträgt in 2021 der Beitrag 1,00 € pro Schüler*in pro Monat, für Kitas 0,25 € pro Monat – mit einer Rabattstaffelung in Abhängigkeit von der Größe der Einrichtung. Bei diesen Beiträgen halten wir die schon aufgeführten Argumente der angebotenen Leistungen, der Zukunfts­sicherung und des Solidaritätsgedankens für stichhaltig.

Es gibt ja nicht genau so viele Landesverbände wie es Länder gibt, aber doch eine Menge.
Worin unterscheiden sich die einzelnen Verbände, nicht alle sind ja strukturiert wie unserer.

Wie gesagt, haben die einzelnen Landesverbände unterschiedliche historische Hintergründe. Dies liegt sicherlich daran, mit welchem Interesse sie gegründet wurden und wer an ihrem Aufbau beteiligt war. (Der Landesverband Hessen, beispielsweise, hat nur Einrichtungs­träger als Mitglieder. Baden-Württemberg, auf der anderen Seite, ist ein regionaler Pädagog*innen­verband mit über 500 Einzelmitgliedern, der sich nun auch als Einrichtungs­verband positioniert.) Entsprechend divers sind die Leistungsschwerpunkte, die sie ihren Mitgliedern anbieten – diese können wir nicht ausgleichen, aber erklärtes Ziel des Bundes­verbands ist es, die Verbandsarbeit auf regionale Ebene zu fördern.

Jörg, du bist bisher das Gesicht des Dachverbandes und wirst es auch für den Bundesverband weiterhin sein. Du bist aber nicht allein, sondern Teil eines Teams. Bitte stell uns doch mal euer Team vor.

Zum Team gehören zunächst meine Vorstandskolleg*innen, die die Vorbereitungen zum Bundesverband mit vorangetrieben haben:

  • Uwe Thümmel (stellvertretender Vorsitzender) – Landesverband Sachsen
  • Christoph Borchardt – Biberkor
  • Manfred Burghardt – Landesverband Bayern
  • Nina Villwock – Landesverband Hessen

Bereits eingestellt sind die beiden Leiterinnen der Geschäftsstelle des Bundesverbands:

  • Andrea Donath ist die Leiterin Pädagogik und Ausbildung. Sie ist derzeit noch Kita-Leiterin am Campus Köpenick der Montessori Stiftung Berlin und fängt im April mit 15 Wochen­stunden an, die im August auf 30 Wochenstunden steigen.
  • Stephanie Probst ist die Leiterin Mitgliederbetreuung und Verbandsverwaltung, ebenfalls mit 30 Wochenstunden. Sie hat bisher die (wesentlich kleinere) Geschäftsstelle des MDD geleitet und war vorher Geschäftsführerin eines größeren Montessori-Träger­vereins in Wiesbaden.

Wir schreiben gerade eine halbe Stelle für die Öffentlichkeitsarbeit aus und haben viele sehr interessante Bewerbungen.

Du bist ja nicht nur im zukünftigen Bundesverband hier in Deutschland engagiert. Wo engagierst du dich noch für die Montessori-Pädagogik?

Meine Ämter auf regionaler und lokaler Ebene habe ich bewusst mit der Wahl zum MDD-Vorsitzenden abgegeben. Ich bin aber vor ein paar Jahren Mitglied des Kuratoriums der Montessori Stiftung Berlin geworden, um den Kontakt zur Basis nicht zu verlieren. Mit weniger Aufwand verbunden sind die Rollen als Schatzmeister von Montessori Europe und als Kuratoriumssprecher des Instituts für Bildungsrecht und Bildungsforschung (IfBB).

Eine privatere Frage an dich: Was machst du eigentlich, wenn du nicht für die Montessori-Szene aktiv bist? Gibt es ein Leben ohne uns?

Ja! Ich bin seit 2019 Schatzmeister von Rhein.Main.Fair e.V., die gerade wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Metropolregion FrankfurtRheinMain als dritte „Faire Metropolregion“ in Deutschland ausgezeichnet wurde. Diese Arbeit ist beliebig ausbaufähig.

Auch reisen meine Frau und ich sehr gern, u.a. um meine große kanadische Verwandtschaft zu besuchen. Die letzte große Reise führte uns 2019 im Jeep-Convoy durch Kirgistan und Tajikistan.

Und noch eine private Frage: Wie kamst du eigentlich dazu, dich so stark ehrenamtlich zu engagieren?

Mitte der Neunzigerjahre hatte sich meine Frau damit beschäftigt, wohin unsere drei kleinen Kinder auf die Schule gehen sollten. So kamen wir 1996 nach Hofheim, wo unser Ältester ein „Gründungskind“ der Grundschule war. Fünf Jahre später fand ich mich als Folge einer Vereinskrise als Vorstandsvorsitzender wieder. Bis 2012 war ich dort engagiert, begleitete den Aufbau inklusive gymnasialer Oberstufe und U3-Gruppen, und trieb die Professionalisierung des Vereins durch Einrichtung eines hauptamtlichen Vorstands voran. Das Schicksal hat es so gewollt, dass ich durch den Börsengang der Unternehmensberatung, wo ich Partner war, mit 50 Jahren in 2003 aus dem Beruf aussteigen konnte und sich der Einstieg in die Verbandsarbeit mit der Gründung des MDDs anbot. Seit ich in Hofheim engagiert war, geht es mir hauptsächlich um die Zukunftssicherung und Professionalisierung der Organisationen, an denen ich beteiligt bin.

Lieber Jörg, am 01.04.21 ist ein Batzen Arbeit erst mal geschafft. Worauf freust du dich jetzt am meisten?

Zunächst freue ich mich als MONTESSORI 2020 „Projektleiter“, dass aus der Vision Wirklichkeit wird. Ich denke, am meisten freut mich, dass mit dem Bundesverband die Kommunikation mit den Montessori-Einrichtungen zuverlässig und direkt erfolgen kann. Dies war aus meiner Sicht eine der wesentlichen Hürden, in den vergangenen Jahren gemeinsame Themen wirksam voranzutreiben.

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